18. Etappe, von Nantes nach Saint-Marc

Montag 12. Juni 1989

Campingplatz von Saint-Marc, einem kleinen Ort in der Nähe von Saint-Nazaire.Campingplatz von Saint-Marc, einem kleinen Ort in der Nähe von Saint-Nazaire. 

Der Camping L' Eve liegt ein gutes Stück außerhalb des Ortes Saint-Marc, direkt am Atlantik. In der Ferne, im Schönwetterdunst ist die Mündung der Loire zu erkennen. Die Fahrt hierher war ein reines Vergnügen. An Hand eines kleinen Stadtplans, der im Hotel auflag, konnte ich ohne größere Schwierigkeiten das Stadtgebiet von Nantes hinter mich bringen. Bei Temperaturen von knapp 30 °C und strahlend blauem Himmel radelte, nein flog ich, mit einem kräftigen Wind im Rücken, nach Saint-Nazaire. 

Loire kurz vor der MündungDie Loire kurz vor der Mündung

Am frühen Nachmittag erreiche ich die Brücke über die Loiremündung. Leicht S-förmig geschwungen, überspannt die imposante Seilbrücke eindrucksvoll den hier etwa 3 km breiten Strom. Sie verbindet die Stadt Saint-Nazaire mit dem Ort Saint-Brévin les Pins. Das weithin sichtbare Bauwerk wurde 1974 fertig gestellt, hat eine Länge von 3356 Metern und ruht auf 258 Betonstützen und Stahlträgern. Es ist 60 Meter hoch und besitzt eine lichte Weite zwischen den beiden Hauptstützen von 404 Metern. Die schwierigen klimatischen Bedingungen, denen die Brücke ausgesetzt ist, erfordern dauernde Instandhaltungsarbeiten, zu deren Finanzierung eine Maut erhoben wird. Radfahrer dürfen kostenlos rüber! Bei starkem Wind wird die Brücke aus Sicherheitsgründen für jeglichen Verkehr gesperrt. 

Die BrückeDie Brücke

Mitte des 19. Jahrhunderts war Saint-Nazaire ein beliebtes Ziel für Badeferien. Nach und nach verlor die Stadt jedoch ihren Erholungscharakter, und zur Sommerfrische fuhr man nur noch nach Saint-Marc und an die Landzunge. Dieser Küstenbereich wurde durch Jacques Tatis Film Die Ferien des Monsieur Hulot  unsterblich. 

BadestrandBadestrand, hier fehlt nur noch M. Hulot!

Obwohl der Atlantik temperaturmäßig nicht gerade dazu einlädt, verbringe ich zwei Tage in der Campingplatzbucht mit Baden, Lesen und 'Faul in der Sonne liegen'. Abends unternehme ich eine kleine Fußwanderung durch die Klippen zu einem nahe gelegenen Restaurant, dessen Speisekarte zwar eindeutig fischdominiert ist, doch auch für 'Fleischfresser' einiges zu bieten hat. 

RestaurantRestaurant

Den dritten, meinen letzten Tag hier in Saint-Marc, nutze ich zu einer kleinen Wanderung, die sich aber fast über den ganzen Tag hinzieht. Ich folge ohne festes Ziel dem schmalen Pfad entlang der Felsküste in Richtung Saint-Nazaire und kehre erst am späten Nachmittag hungrig, durstig und ziemlich ausgepowert zurück. 

KüstenwandernKüstenwandern

Jetzt ein prickelndes Erfrischungsbad, dann Duschen und anschließend irgendwo gepflegt zu Abend speisen! Ja, so lässt es sich leben! Die freudige Erwartung kommender Genüsse wird jäh gedämpft, als ich mich meiner Badebucht nähere. 

Während meiner Abwesenheit ist hier am Strand ein Mensch ertrunken. Von meinem erhöhten Standpunkt oberhalb der Felsen fällt mir zunächst der Einsatzwagen der Polizei auf, der mit laufendem Blaulicht absolut nicht in das ansonsten friedliche Bild eines sommerlichen Badestrands passt. Bei meinem Näherkommen bemerke ich die Leiche. Sie liegt in unmittelbarer Nähe des Polizeiwagens, ist in ein weißes Tuch gehüllt und in respektvollem Abstand umringt von Neugierigen, die sich betreten unterhalten. Zaudernd trete ich hinzu und erfahre nach und nach, dass es sich bei dem Toten um einen etwa 30-jährigen Mann handelt, der sich erhitzt, ohne Abkühlung, in die eiskalten Fluten gestürzt haben soll und dabei offensichtlich einen Herzschlag erlitten hat. 

Die Polizei ist gerade dabei einige Badegäste, die das Ganze beobachtet haben, zu befragen. Dann, mit dem Eintreffen der Ambulanz geht alles ganz schnell. Die Leiche wird in einen Blechsarg gelegt und in das Wageninnere geschoben. Polizei und Ambulanz verlassen den Schauplatz. 

Die Gruppe der Schaulustigen löst sich langsam auf. Man kehrt zu seinem Badetuchplatz zurück und am Strand macht sich allmählich wieder Behaglichkeit breit. Ein Badetuch bleibt leer! 

Die plötzliche Konfrontation mit dem Tod, gleichsam aus heiterem Himmel, hat mir die Lust auf ein erfrischendes Bad im Meer verdorben. Nachdenklich geworden, gehe ich duschen. Mir wird bewusst, wie abrupt doch alles vorbei sein kann. Das ganze will mir so schnell nicht aus dem Kopf. 

Am nächsten Tag ist es Zeit die Heimreise anzutreten. Der nächste Bahnhof befindet sich in La Baule, knapp 10 km entfernt. Ich mache mich zeitig auf den Weg. Der Bahnhof ist schnell gefunden. Er liegt direkt an der Einfallstraße. Das 'Timing' könnte besser nicht sein, denn kaum habe ich die Formalitäten am Gepäckschalter erledigt, da fährt auch schon mein Zug ein, und eine abwechslungsreiche, sowohl kulturell als auch kulinarisch anregende, wenn auch wettermäßig nicht immer ungetrübte Fahrradreise geht zu 

ENDE

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