16. Etappe, von Savonnieres nach Chavagnes

Samstag 10. Juni 1989 

Das morgendliche Erwachen war zunächst eine herbe Enttäuschung. Entgegen der eindeutig positiven Wetterprognose regnete es in Strömen. Ziemlich frustriert gehe ich erstmal frühstücken. Ich habe es nicht eilig und beschäftige mich ausgiebig mit der regionalen Tageszeitung. Auch hier wird herrlichstes Wetter vorhergesagt. Und tatsächlich, so gegen 10 hört es auf zu regnen und kurze Zeit später scheint schon die Sonne. Ich mache mich sofort auf den Weg. Es stehen wieder 3 Schlösser auf dem Programm, nämlich: Villandry, Ussé und Saumur. 

Schloss VillandrySchloss Villandry 

Schloss Villandry ist vorallem durch seinen weltberühmten Renaissancegarten bekannt. Das jedenfalls behauptet ein Prospekt, der mir heute morgen im Hotel in die Hände gekommen ist. Als eines der jüngsten Renaissanceschlösser der Loire wurde es 1536 fertig gestellt. 

Wie die meisten der Loireschlösser ist es zum Einheitspreis von 30 FF zu besichtigen. Ich möchte nur einen kurzen Blick auf den Garten werfen und ein paar Fotos schießen, aber dafür keineswegs bezahlen. Mein Anliegen stößt jedoch bei der Concierge an der Kasse auf wenig Gegenliebe. Sie ist ziemlich verstimmt weil ich mir erlaubt habe mein Rad an ihr altehrwürdiges Kulturgemäuer zu lehnen. Ich versuche sie umzustimmen, muss jedoch alsbald erkennen, dass hier selbst mit viel Charme nichts mehr auszurichten ist. Kurz entschlossen mache ich die Kamera betriebsbereit, renne auf den Schlosshof, drücke zwei, drei mal auf den Auslöser, renne wieder zurück an der nun heftig keifenden Hausmeisterin vorbei, schwinge mich aufs Rad und mache, dass ich weg komme. Soviel zu Villandry, doch zum Glück gibt es ja Wikipedia. 

Schloss Villandry mit RenaisancegartenSchloss Villandry mit Renaisancegarten   (Quelle)

Das nächste Schloss, 20 km stromabwärts, ist mir in wesentlich angenehmerer Erinnerung. Es liegt am Indre, einem Seitenfluss der Loire, etwa 8 km vor der Einmündung. 

Schloss UsséSchloss Ussé 

Das vieltürmige, am Waldesrand versteckte Schloss von Ussé inspirierte den französischen Märchensammler Charles Perrault zu seiner Geschichte „La belle au bois dormant“ (Die  Schöne im schlafenden Wald). Die deutsche Fassung, 'Dornröschen', wurde später von den Brüdern Grimm in ihre Sammlung aufgenommen. Besonders hinweisen möchte ich an dieser Stelle auf die außerordentlich gut gelungene Präsentation zum Schloss, wo unter anderem auch eine fabelhafte Illustration des Märchens dargeboten wird.

Schloss SaumurSchloss Saumur  (Quelle)

Das Schloss Saumur befindet sich in der gleichnamigen Stadt und stammt vom Ende des 14. Jahrhunderts. Aus welcher Richtung auch immer man sich Saumur nähert, es ist immer das Schloss, das weithin besticht. Die am Zusammenfluß von Loire und Thouet gelegene frühere Karolinger Stadt ist vor allem für die unter Thibault, dem Grafen von Blois, im 10. Jahrhundert gebauten Befestigungen bekannt. Im Jahre 1026 ging die Stadt in die Hände des Grafen von Anjou, den berühmtberüchtigten Foulques Nera, und später in die seines 'Ginsterzweig' Erben, Gottfried V. von Anjou, über. Der französische König Philip August brachte sie schließlich in den Besitz der Krone. 

Schloss SaumurSchloss Saumur    (Quelle)

Nachdem die Festung im Jahre 1227 französisch wurde baute 'Ludwig der Fromme' sie um. Ab 1367 begann Ludwig I. von Anjou die runden Türme in polygonal geformte Türme umzugestalten. Beide Turmkonstruktionen sind noch heute zu sehen. René von Anjou, "Le bon Roi René", ein kultivierter Mensch, talentierter Schriftsteller und Erbauer von Schlössern (Tarascon) brachte das gesamte Gebäude in einen allgemein wohnlicheren Zustand. Im 16. Jahrhundert baute der Italiener Bartolomeo die Schlossbefestigung aus. Seiner Zeit voraus, errichtete er um das mittelalterliche Schloss herum, niedrige bodennahe Barrikaden. Diese Bastionen und Wälle waren sternförmig angeordnet, was für die damalige Zeit außerordentlich modern war, und das etwa 100 Jahre bevor Vauban, der Festungsbauer des Sonnenkönigs, annähernd das Gleiche tat. In einer weniger ruhmvollen Zeit wurde das Schloss unter Ludwig XIV. und Napoleon I. als Gefängnis genutzt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaufte die Stadt dem Staat das Schloss ab und fing an es nach und nach zu renovieren. 

Als Literatur zu Saumur wäre vielleicht Balzacs 'Eugenie Grandet' zu empfehlen. Die Handlung spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts und gibt Einblicke in das gesellschaftliche Leben der Stadt und ihr soziales Umfeld zur damaligen Zeit. 

Etwa 15 km flussabwärts, in Gennes, verlasse ich den großen Strom um die Großstadt Angers südlich zu umgehen. In Chavagnes, einem kleinen Nest in der Nähe von Thouarce, finde ich im Hotel 'Au Fassan' eine Unterkunft für die Nacht.

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