8. Etappe, von Pino nach St. Florent

Samstag/Sonntag, 4/5.6.88 

Die Fahrt hierher war schön und mühsam zugleich. In ewigem Auf und Ab wand sich die Küstenstraße malerisch um jede Bucht, jeden Stein und jeden Strauch. Immer wieder taten sich herrliche Ausblicke auf; Anlässe zum Verschnaufen und Genießen. Der Straßenbelag jedoch ließ sehr zu wünschen übrig und spottete jeder Beschreibung. Reichlich, mit unerwartet tiefen, oft erst im letzten Moment erkennbaren Schlaglöchern ausgestattet, verlieh er den vielen zünftigen Abfahrten einen besonderen, nicht immer ungefährlichen Reiz. Das ständige Rütteln und Schütteln führte denn auch, nach etwa 20 km zum Bruch des vorderen, etwas schwächlichen Gepäckträgers. 

Fortan war ich gezwungen einen Teil meiner Habe, nämlich das nicht gerade leichte Fotozeug und die umfangreiche Reisebibliothek, bestehend aus Karten, Reiseführern und Wörterbüchern auf dem Rücken zu tragen. Ich hoffe in St. Florent ein gut sortiertes Fahrradgeschäft zu finden, das so etwas Exotisches wie einen Vorderradgepäckträger führt. 

Camping St. Florent

Es ist Mittag, und ich habe soeben mein Zelt auf einem idyllisch gelegenen Campingplatz in der Nähe von St. Florent errichtet. Mein Minizelt wirkt auf dem geräumigen, mit dichten Büschen umstandenen 'Emplacement' noch winziger als es ohnehin schon ist. Nach der feudalen Ferienwohnung der vergangenen Nacht ein echter sozialer Abstieg! Dennoch gedenke ich hier den längst fälligen Ruhetag einzulegen, mich zu erholen, die korsische Küche zu testen, am Strand zu faulenzen und nebenher, irgendwann, meine schmutzige Wäsche zu waschen. 

St. Florent

Das große Seebad St. Florent liegt auf einer Landzunge in einer der schönsten Buchten des Mittelmeeres, dem 'Golfe de St. Florent'. Ich flaniere durch die pittoreske Altstadt und sehe mich schon mal nach einem geeigneten Restaurant für den Abend um. Im Jachthafen überkommt mich jäher Neid, angesichts einiger Luxusjachten die hier vor Anker liegen. Ich frage mich wie man es wohl anstellen müsse, um zu solchen Booten zu kommen. Etwas später, vor einer kleinen Bar, bei einem kühlen Bier, ist mir hierzu immer noch keine befriedigende Antwort eingefallen. Ich beschließe die Lösung des Problems zu vertagen und erst einmal meinen Korsikaführer zu befragen, wo ich hier überhaupt bin. 

Im Jahre 1440 bauten die Genuesen hier eine Zitadelle, die ihnen zur Kontrolle des Seehandels im Mittelmeer sehr geeignet schien. Die Festung war bis ins 18. Jahrhundert Bischofssitz und Gouverneurspalast. Der Hafen hatte eine hervorragende strategische Lage, die landwirtschaftlichen Anbauflächen lagen nah und prosperierten. Dieses günstige Zusammentreffen aber machte die Stadt zum Ziel wiederholter, rüdester militärischer Invasionen. Obwohl die Malaria hier verheerend wütete, wurde der Ort im 16. Jahrhundert heftig umkämpft: von den Franzosen, den Genuesen und natürlich von den Korsen. Im Jahre 1774 hausten hier in einem verwüsteten Lebensraum noch 350 Einwohner, bedroht von Fieber und ständiger Kriegsgefahr. Einen neuen Wachstumsschub bekam die Stadt erst, nachdem Napoleon III die Trockenlegung der Sümpfe befahl und damit die Ursache der Malaria beseitigte.

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