2. Etappe, von Piobbico nach Arezzo

Sonntag 29.5.88 

Aufbruch in Piobbico um 10 Uhr. Ich habe gut geschlafen und ordentlich gefrühstückt. Ich fühle mich bärenstark! Das ist auch nötig, denn gleich geht's mäßig zwar, aber dennoch stetig bergan. Über Apecchio, einem kleinen mittelalterlich anmutenden Bergdorf, führt die SS 257 über zahlreiche Serpentinen hinauf zur Bocca Serriola, einem wilden, mit 730 m aber nicht sonderlich hohem Pass über den Apennin. 

Bocca Seriola

Das Wetter ist gut, nicht zu warm und vor allem trocken. Hin und wieder scheint sogar die Sonne. Radfahren macht wieder Spaß! Immer noch in guter Verfassung erreiche ich nach knapp 20 km Bergfahrt und 390 Höhenmetern die Passhöhe. 

Jetzt wird's traumhaft! Die etwa 20 km lange Abfahrt ins Tibertal nach Citta di Castello in Umbrien führt durch eine wunderschöne Bilderbuchlandschaft. Die kurvenreiche Strecke bereitet, nicht zuletzt auch wegen des geringen Verkehrs ein ungetrübtes Abfahrvergnügen. In Citta di Castello halte ich mich nicht lange auf, obwohl es hier laut Reiseführer einiges zu sehen gäbe. Der Drang weiter zu kommen ist im Augenblick größer als das Verlangen nach Kultur.

Auf der SS 258 geht's flott das Tibertal hinauf nach Sansepolcro und von dort weiter in südwestlicher Richtung nach Anghiari, einem kleinen Städtchen, das über die Jahrhunderte hinweg seinen mittelalterlichen Charakter erhalten konnte. Ich halte mich nur kurz auf, genehmige mir in einer kleinen Bar zur Stärkung einen kräftigen Espresso. Dann mache ich mich auf den Weg nach Arezzo. 

Zunächst ist mit 150 Höhenmetern ein kleiner aber feiner Pass, der 575 m hohe Valico di Scheggia zu überwinden. Auf seiner Rückseite wartet auf den müden Radler ein Gefälle von 275 Höhenmetern hinab nach Arezzo. Im oberen Teil befinden sich einige sehr steile Passagen mit engen Haarnadelkurven. Hier ist die ungeteilte Aufmerksamkeit des Radtouristen gefordert, sofern er nicht in die zwar wunderschöne, aber unbefestigte toskanische Landschaft hinaus katapultiert werden will. Es gelingt mir auf dem Asphalt zu bleiben und die rasante Abfahrt in vollen Zügen zu genießen. Am späten Nachmittag treffe ich in Arezzo ein. 

Ein günstiges Quartier ist schnell gefunden. Das Albergo 'La Toskana' ist einfach aber sauber. Gefragt, wo man hier gut essen könne, empfiehlt mir der Wirt ein etruskisches Lokal. Die Küche sei dort 'molto bene'. Nachdem ich ausgiebig geduscht und mich stadtfein gemacht habe, unternehme ich noch einen kleinen Rundgang durch die Altstadt. Typisch italienische Kleinstadt, etwas heruntergekommene Fassaden, alles irgendwie liebenswert schlampig mit viel Atmosphere! 

Arezzo
Arezzo    (Quelle: LINK)

Anschließend, bedrängt von meinem bereits vernehmlich knurrenden Magen, begebe ich mich zielstrebig in den mir empfohlenen Schlemmertempel. Ich betrete einen pikfeinen Laden und frage mich unwillkürlich, ob ich auch genug Geld einstecken habe. Begierig zu erfahren, was sich die alten Etrusker wohl so einverleibt hatten, bestelle ich mir erwartungsvoll etwas original Etruskisches. Ich wurde nicht enttäuscht. Fazit: Gut und reichlich! Die Etrusker müssen nicht schlecht gelebt haben, aber ich glaube, die wenigsten, würden sie heute leben, hätten sich das leisten können. Das Menu war einfach diabolisch teuer!!! 

Ins Albergo zurückgekehrt, versuche ich mich mittels Reiseführer vor dem Einschlafen noch schnell etwas schlauer zu machen. Die Provinz Arezzo grenzt als östlicher Teil der Toskana an die Provinzen von Siena und Florenz und das Chianti Gebiet. Gegründet von den Etruskern, war die Stadt bis zum Verfall des römischen Reiches ein wichtiges kulturelles Zentrum. In der Folge wurde Arezzo dann von den Goten, Byzantinern, Lombarden und schließlich den Franken regiert. Ihre Blütezeit erlebte die Stadt mit Beginn des 12. Jahrhunderts. Rivalitäten mit den Nachbarstädten Siena und Florenz schwächten allmählich die Machtstellung Arezzos und führten 1384 zur Eingliederung in den Stadtstaat Florenz. Der berühmteste Sohn der Stadt war wohl der humanistische Dichter (und prominenter Erstbesteiger des Mont Ventoux) Francesco Petrarca. Ebenfalls aus der Gegend stammen so illustre Koryphäen wie Michelangelo (aus Caprese) und der Maler Piero della Francesca (aus Sansepolcro).

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