11. Etappe, von Galeria nach Porto  

Mittwoch 8.6.88 

Die Nacht war kalt, ich habe gefroren wie ein Schneider und kaum ein Auge zugetan. Der warme Anorak, mit dem ich mich hätte zudecken können, fiel ja meiner Entrümpelungsaktion zum Opfer und liegt wohlverpackt auf der Post in Calvi oder ist vielleicht schon unterwegs nach München. Die Nächte können um diese Jahreszeit doch noch ziemlich frisch sein, vor allem dann, wenn der kühle Mistral den Himmel leer gefegt und für eine sternklare Nacht gesorgt hat. Doch ein Gutes hat das Ganze, ich bin heute mal etwas früher aus den Federn bzw. aus dem Schlafsack gekommen. 

Um 9 Uhr bin ich bereits unterwegs zum 407 m hohen 'Col de Palmerella'. Die Straße ist eine endlose Aneinanderreihung von spitzen Kehren und Mäandern. Sie schlängelt sich, meist noch im Schatten, immer höher durch ein langgezogenes Tal der Passhöhe entgegen. Die Steigung ist überwiegend mäßig, an einigen Stellen aber durchaus unangenehm. Trotzdem, es ist eine unbeschreibliche Lust hier hoch zu radeln. Die Mühen und der vergossene Schweiß werden schließlich, oben angekommen, durch ein überwältigendes Panorama auf den 'Golf de Girolata', einer kleinen, malerischen 'Nebenbucht' des großen 'Golf de Porto', belohnt. 

golf de Girolata

"L'île est vraiment belle!" Wie recht sie doch haben, die Korsen! Meine Begeisterung kennt keine Grenzen. Ich halte mich über eine Stunde hier oben auf, streife zu Fuß durch die Gegend und kann mich nicht satt sehen. 

Der nächste Pass, der 'Col de la Croix', lässt sich gut an, es geht abwärts, und das etwa 130 Höhenmeter. Das reine Vergnügen! Aber dann, im Anstieg zur Passhöhe wird's noch einmal unangenehm steil. Doch der Schwung vom 'Palmarella' verleiht Flügel. 

Nur mäßig erschöpft erreiche ich den Kulminationspunkt. Die Aussicht hier oben steht der vom 'Col de Palmerella' in nichts nach. Ringsum eine phantastische Bergwelt und im Süden, im Gegenlicht gleißend, der Golf von Porto, und dahinter, schroff aufragend, rötliches Granitgebirge. 

Die Temperatur ist erträglich, nicht so heiß wie gestern, dafür sorgt schon der Mistral. Ich suche mir ein halbwegs windgeschütztes Plätzchen für die Mittagspause. Der Hunger hält sich in Grenzen, dafür mundet der kräftige korsische Rotwein umso mehr. Die durchfrorene, halbdurchwachte Nacht fordert nun ihren Tribut. Für kurze Zeit versinke ich in Morpheus Armen. Der alte Grieche hält mich doch etwas länger fest als mir lieb ist, denn als ich mir ausgeruht die Augen reibe, steht die Sonne schon bedenklich tief im Westen. Bis Porto sind es noch 25 km. Erfreulicherweise geht es, abgesehen von einem kleinen, aber heftigen Anstieg kurz vor Porto, nur bergab. Der Campingplatz in Porto ist laut und überlaufen, seine Lage allerdings einzigartig. Ich verzichte auf einen Restaurantbesuch und bereite mir eine Fischsuppe aus der Dose. Ich gehe früh schlafen.

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