6. Etappe, von St. Jean-Pied-de-Port nach Tardets

Samstag 13. Juni 87 

Acht Uhr, es sieht nach Regen aus. Ich lasse mir die Laune nicht verderben und widme mich der Zubereitung meines Frühstücks. Ohne Tischtuch geht's nicht, auch wenn der Tisch nur aus einem Stück Betonmauer besteht. 

Frühstück 
Petit-déjeuner

Es ist ziemlich kühl, und kaum habe ich meine Mahlzeit beendet, da fängt es auch schon ganz sanft zu tröpfeln an. Eilig packe ich zusammen, stülpe mir die Regenhaut über und ab geht's. In St. Jean le Vieux, dort wo die D 18 abzweigt und zum 1056 m hohen 'Col d'Aphanize' hinauf führt, bekomme ich angesichts der wolkenverhangenen Berge Zweifel, ob ich da wirklich rauf will. 940 Höhenmeter mit Steigungen über 10 % sind schließlich kein Spaziergang, und das alles in dichtem Nieselnebel! Die Zweifel verdichten sich sehr schnell zur Gewissheit: Ich will nicht! Statt dessen entscheide ich mich für die Route über den nur 392 m hohen 'Col d'Osguich'.

Ich folge also zunächst der D 933 bis Chahara und dann der D 918 bis St Just. Der leichte Nieselregen, an den ich mich mittlerweile schon gewöhnt habe, wird jetzt merklich intensiver. Auch die Straße wird nun steiler und das Radeln unter dem luftdichten Regenzeug führt zu vermehrter Transpiration. Die Sorge, mein Deodorant könnte versagen, wird immer bedrückender (Ha,ha!). Bis zur Passhöhe sind es noch 4 km. Plötzlich setzt heftiger Platzregen ein. Weit und breit keine Gelegenheit zum Unterstellen! Unverdrossen trete ich weiter. Was bleibt mir auch anderes übrig! Das sind die Momente, in denen sich der innere Schweinehund wieder zu Wort meldet, jenes zweite Ich, das vorgibt, immer alles besser zu wissen, und das es gern warm und trocken, bequem und gemütlich haben möchte. Er flüstert mir zu, doch endlich das Handtuch zu werfen, die nächste Kneipe aufzusuchen, ein kühles Helles zu bestellen und schon mal Erkundigungen nach einem nahe gelegenen Bahnhof für die Heimreise anzustellen. Ich muss zugeben, dass mir solche Gedanken schon eine ganze Weile im Kopf herum spuken und ich in meiner augenblicklichen Verfassung nur allzu geneigt wäre sie in die Tat umzusetzen, doch die nächste Kneipe ist weit und liegt auf der anderen Seite des Passes. 

Jede Schufterei hat mal ein Ende, so gegen Mittag erreiche ich die wolkenverhangene Passhöhe. In strömendem Regen passiere ich den 'Col d'Osguich' und mein einziger Wunsch ist, hier möglichst schnell wieder runter zu kommen. Über Musculdy gelange ich nach 20 km mit einem Gefälle von etwa 240 Höhenmetern an die Abzweigung zur D 147. Von hier aus geht es dann leicht hügelig über Mendy, Sauguis und Trois-Villes nach Tardets-Sorholus. Es regnet immer noch, und die tiefhängende, nebelgraue Wolkendecke lässt so bald auch keine Wetterbesserung erwarten. Also folge ich meinem inneren Schweinehund und werfe für heute das Handtuch. Am frühen Nachmittag, es ist erst 14 Uhr, buche ich im 'Hotel du Gare' ein Zimmer. Alles in allem ein reichlich unerfreulicher Tag, den ich schnell zu vergessen gedenke!

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