4. Etappe, von Biarritz nach Sare

Mittwoch 10.6.87 

Es ist jetzt 20.50 Uhr und soeben geht Bordeaux gegen Marseille mit 1:0 in Führung. Im Radio wird ein offenbar sehr wichtiges Fußballspiel übertragen. Der Reporter krächzt ein wenig. Das ist aber nicht so sehr auf seine strapazierten Stimmbänder zurückzuführen, sondern liegt eher an der lausigen Qualität meines etwas leistungsschwachen Miniradios. Dieses habe ich im Maschendraht der Campingplatzeinzäunung befestigt, es röhrt auf voller Lautstärke und ist doch in ein paar Meter Entfernung kaum noch zu hören. 

Ansonsten herrscht hier auf dem Platz eine ohrenbetörende Stille. Eine Stille, an die ich mich erst gewöhnen muss. Ringsumher Natur pur! Der nächste Ort, Sare, ist einige Kilometer entfernt. Ich habe schon zu Abend gegessen. Der Einfachheit halber gab es Linsen aus der Dose mit etwas drin, das sich nicht eindeutig identifizieren ließ. Das Etikett der Dose lässt vermuten, dass es sich um Würstchen handelte. Wie dem auch sei, das Ganze war gar nicht so übel, jedenfalls schmeckte es besser, als ich befürchtet hatte. Der Reportage im Radio zu folgen ist ziemlich anstrengend und hat für mich keinen besonders hohen Informationswert, da ich nicht einmal die Hälfte des Geschehens mitbekomme. Meine ohnehin nicht gerade üppigen Französischkenntnisse weisen auf dem Sektor Fußball doch allzu große Lücken auf. Auch redet mir der Typ viel zu schnell. Ich suche einen anderen Sender, finde aber keinen und schalte aus. Die wieder hergestellte Ruhe ist erholsam. Ich gehe die heutige Etappe noch einmal durch und mache mir stichwortartig Notizen. 

Der Vormittag war sehr kurz. Ich hatte verschlafen und kam erst um 11.15 Uhr in die Pedale. Auf der N10 herrschte, wie schon gestern, brutalster Verkehr, doch das Wetter war phantastisch. Bis Guéthary verläuft die Straße meist in unmittelbarer Strandnähe parallel zu Küste. So gegen Mittag nutzte ich diese günstige Gelegenheit zu einem kleinen Strandpicknick mit anschließendem Bad in den eiskalten Fluten des Atlantik.

Letzteres war allerdings, was Dauer und Vergnügen anbelangt, kaum der Rede wert, da ich, um in hüfttiefes Wasser zu gelangen, erst einmal einen Fußmarsch von 200 Metern absolvieren musste. Wegen der extremen Kälte des Wassers begannen bereits auf halbem Wege die Beine völlig gefühllos zu werden und langsam abzusterben. An Schwimmen war unter diesen Umständen überhaupt nicht zu denken, und ich brauchte eine hübsche Weile um wieder auf Normaltemperatur zu kommen. 

Und weiter ging's auf der N10 nach Saint-Jean-de-Luz, einer kleinen idyllischen Hafenstadt zu Füßen der Pyrenäen. Durch Walfang reich geworden, war der Ort einst bedeutender als Biarritz. Heute ist die quirlige und weltoffene Stadt mit ihrem ausgedehnten Strand und dem alten Hafen einer der beliebtesten Küstenferienorte Frankreichs. 

Baden im Atlantik

Auch mir war er auf Anhieb sympathisch, und ich spielte schon mit dem Gedanken hier mein Zelt aufzuschlagen. Doch dazu war es einfach noch zu früh, ich hatte ja erst knapp14 km zurückgelegt, und außerdem lockten weithin sichtbar schon die ersten Berge der Pyrenäen. Hier ganz in der Nähe, auf der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens, in Ciboure, erblickte übrigens im Jahre 1875 der Komponist des 'Boléro', Maurice Ravel, das Licht der Welt.

St. Jean de Luz
St. Jean de Luz, Strand 

Ich schlenderte noch eine Weile durch die Gassen der Innenstadt, wo gerade ein Markt abgehalten wurde, ließ mich auch im alten Hafen kurz blicken und machte mich dann auf der D918 in südöstlicher Richtung davon. Die Landschaft wurde alsbald hügeliger, und ab der Ortschaft Ascain ging es dann rasch zur Sache. Vor mir lag der Col de St. Ignaz. Mit seinen 169 m Höhe ist er zwar nicht gerade ein Riese, dennoch weist er einige nicht zu verachtende Steigungen auf. Mit dem Überschreiten der Passhöhe gelangt man in eine völlig andere Welt, in die Abgeschiedenheit der Pyrenäen.

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