3. Etappe, von Leon nach Biarritz

Dienstag 9.6.87 

Seit 9 Uhr bin ich wieder unterwegs, und seit 9 Uhr regnet es, nicht besonders stark, aber doch so, dass es ohne Regenhaut nicht geht, mit dem bekannten Effekt der allmählichen Durchfeuchtung der Kleidung von innen her. Da es nicht besonders kalt ist, hält sich das körperliche Unbehagen aber in Grenzen, ja, das feuchtwarme Mikroklima innerhalb der Plastikhülle vermittelt eher die nicht unangenehme Atmosphäre eines türkischen Dampfbades. 

Die Straße ist immer noch die D652 und sie führt immer noch, wie gehabt, meist schnurgerade durch lichtgrünen Pinienwald. Ich komme gut voran, erreiche bald den Badeort Vieux-Boucau-les-Bains, lasse ihn rechts liegen, und wechsle kurz darauf zur D79 in Richtung Capbreton. Gegen Mittag lichten sich die Wolken allmählich und der Regen lässt nach, eine gute Gelegenheit für eine kurze Rast. In einem Waldweg genehmige ich mir zur Stärkung ein Gläschen Bordeaux und absolviere anschließend einen kleinen Waldlauf. 

Mit einigen gymnastischen Übungen bringe ich die durch das Radfahren etwas einseitig geforderte Muskulatur wieder in Schwung. In Hossegor treffe ich erneut auf die D652 und folge ihr über Capbreton bis zur N10. Mit dem beschaulichen Pedalieren ist es nun vorbei. Der Verkehr auf der Nationalstraße ist ziemlich heftig und zehrt an den Nerven. Lärm und Gestank sind meine Sache nicht! Doch es gibt keine vernünftige Alternative. Ich muss da durch! Schließlich erreiche ich Bayonne, die Hauptstadt des französischen Baskenlandes. Ein kleines, behagliches Café direkt am Ufer des Adour zieht mich magisch an, macht es mir unmöglich einfach weiterzuziehen. 

Cafe am Adour

Ein Pastis, ein kleiner Kaffee tun ihre Wirkung. Schon sieht die Welt viel freundlicher aus, und die Nerven beruhigen sich allmählich! Vor dem Lokal in der Sonne dösend, genieße ich die herrliche Stille. Vom Atlantik her weht eine leichte, erfrischende Brise und bringt willkommene Kühlung. Ich spiele schon mit dem Gedanken, für heute Schluss zu machen, doch ein Blick in die Karte verrät mir, dass es bis zu meinem eigentlichen Etappenziel Biarritz nur noch ein Katzensprung ist. Nach etwa 5 km auf der D260 gelange ich so gegen 16 Uhr nach Anglet und mache mich auf dem dortigen Campingplatz breit, sofern man sich mit einem so winzigen Minizelt überhaupt breit machen kann! Inmitten einer ausgedehnten Wiese nimmt sich meine Behausung in dem knietiefen Gras doch recht mickrig aus und ist aus einiger Entfernung kaum noch zu erkennen. Der Platz besticht nicht gerade durch besonderen Luxus und ist nur schwach belegt. Er liegt jedoch recht günstig in unmittelbarer Nähe zur Point St. Martin und dem Leuchtturm. Da es für eine Stadtbesichtigung schon ziemlich spät ist, halte ich mich nicht lange mit Waschen und Umziehen auf und mache mich gleich auf den Weg. Am 'Rocher de la Vierge' bietet sich ein beeindruckendes Panorama auf Stadt und Strand, und die milde Abendsonne sorgt für die richtige Beleuchtung.
  Biarritz
Biarritz, Blick vom 'Rocher de la Vierge'

Biarritz, Strand
Biarritz, Srand

Kurze Zeit später, es geht bergab, befinde ich mich auf einem menschenleeren Strand. Ein einsamer Surfer tummelt sich in der Brandung.Wie mag es hier wohl zur Hauptsaison aussehen? Ich bleibe noch bis die Sonne hinter dem Horizont versinkt und mache mich dann auf den Heimweg. 

Im Mittelalter war Biarritz ein kleiner Fischerhafen, wo in der tobenden Brandung waghalsige Walfänger ihre Beute anlandeten. Die Bewohner dieses Küstenstrichs führten ein karges, entbehrungsreiches Leben. Das änderte sich von Grund auf, als im Jahre 1854 die Kaiserin Eugénie und Napoléon III Gefallen an der Gegend fanden und sich mit ihrem Hofstaat hier niederließen. In der Folgezeit traf sich hier alles was Rang und Namen hatte, aus Adel, Politik und Kunst. Sich hier zu zeigen war schick geworden. Seinen mondänen Charakter hat die Stadt bis in unsere Zeit bewahrt.

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