10. Etappe, von La-Barthe-de Neste nach Saint-Girons

Mittwoch 17. Juni 87 

Zur Feier des Tages habe ich gestern, nach dem Abendessen im Hotel, noch ein Fläschchen 'Tursan', einen kräftigen, hier in der Gegend angebauten Rotwein entkorkt. Dieser Wein ist nicht nur, wie das Etikett verrät, ein vorzüglicher Begleiter zu den feinen Produkten der gaskonischen Gastronomie, sondern auch, wie ich hinzufügen möchte, ein angenehmer Gefährte zu guter Literatur. Tursan und Pagnol, eine wirklich amüsante Kombination! 

Beim Aufbruch heute morgen war ich noch etwas benommen, vermutlich wegen der vielen Leserei. Erfreulicherweise zeigte sich das Wetter mal wieder von seiner besseren Seite, und die Morgenkühle sorgte schnell für einen klaren Kopf. Auf der D 938 ging es zunächst über St. Laurent nach Montrejeau und von dort erst auf der N 125, und dann, nach 4 km, auf der D 117 in Richtung St. Gaudens. Kurz vor der Ortschaft Valentine tauchen auf der linken Straßenseite einige, auffallend helle ziemlich antik anmutende Säulen auf. Ein Blick in Herrn Michelins Pyrenäenführer klärt mich auf. Es handelt sich um ein archäologisches Ausgrabungsfeld. 

AusgrabungenArchäologisches Ausgrabungsfeld

Überraschenderweise kann das Areal betreten werden ohne dafür auch nur einen einzigen Sou berappen zu müssen. Zu sehen sind die Ruinen einer galloromanischen Villa aus dem 4. Jahrhundert. Sie gehörte einst einem gewissen Nymfius, Gouverneur der Provinz Aquitanien. Der Typ muss hier, wie die freigelegten Mauerreste seiner nicht gerade beengten Behausung zeigen, auf ziemlich großem Fuß gelebt haben. Hinter einem Fassadengebäude befand sich ein 50 m langer Ehrenhof, ausgestattet mit einem Säulengang, der direkt zu einem riesigen halbkreisförmigen 'swimming pool' führte. Wie die noch sichtbare Kanalisation erkennen lässt, wurde das Bad mit dem Thermalwasser des benachbarten Dorfes versorgt. Einige der Säulen aus hellgrauem Marmor, die das Bad umsäumten, wurden wieder aufgerichtet. 

Das Fahrrad an einen Säulenstumpf gelehnt, sitze ich zum Schutz gegen den noch immer heftigen Wind, in der Vertiefung des antiken Schwimmbades und mache Brotzeit. Es gibt Salami an Baguette und noch einen kleinen Rest Rotwein von gestern. Ganz deutlich verspüre ich den zürnenden Geist des verblichenen Nymfius ob dieser frevelhaften Zweckentfremdung. 

Obwohl Herr Michelin meint, man solle zur Vertiefung des Gesehenen auch noch das Ausgrabungsdepot in Valentine aufsuchen, nutze ich das schöne Wetter und mache mich nach einer kurzen Siesta wieder auf den Weg. Im weiten Tal der Garonne treibt mich der kräftige Westwind auf der D 21 bis Mane. Ich fahre meist mit großer Übersetzung und fliege förmlich dahin. Radfahren macht wieder richtig Spaß! Später, auf der D 117 im Tal der Flusses 'Salat', kommt der Wind zwar mehr über Backbord, dennoch komme ich gut voran und erreiche am späten Nachmittag St. Girons. Ich finde, für heute weit genug geradelt zu sein und quartiere mich im Hotel Mironze ein. Nach dem Abendessen nehme ich noch einen kleinen Schlummertrunk an der Bar und gehe dann früh schlafen. Morgen soll's über den 1200 m hohen 'Col de Port' nach Tarascon und Foix gehen. Hoffentlich spielt das Wetter mit!!!

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