9. Etappe, von Moustiers nach Puylobier

Montag 4. Juni 

Seit etwa einer Stunde bin ich wieder unterwegs, auf der D957 in Richtung Aups. Versunken in Betrachtungen über Gott und die Welt trete ich leicht abwesend, beharrlich in die Pedale. Insbesondere beschäftigt mich die Frage, welchen Sinn es haben soll, mit einem schwerbepackten Fahrrad, bergauf-bergab, schier endlose Strecken zurückzulegen, um dann, endlich irgendwo angekommen, auf einem Campingplatz ermattet ins Gras zu sinken. Ich fürchte ich habe heute wieder mal meinen 'Moralischen', wie ich diese leicht depressiven Phasen zu nennen pflege. Da stelle ich schon gerne mal den tieferen Sinn meines Tuns in Frage. 

Während ich mich gerade an einer hochprozentigen Steigung abmühe, ertönt plötzlich hinter mir ein wildes, nicht unmelodisches Stakkato. Es ist Rainer, der mit seiner Autohupe versucht die ersten Takte von Beethovens Fünfter zu intonieren. Er ist mit Familie, auf dem Weg nach Süden, an die Cote d'Azur. Sie winken durchs offene Fenster, ich winke zurück, und weg sind sie! Beneidenswert! Ich trete weiter unverdrossen in die Pedale, bin längst in Schweiß gebadet. Mir wird bewusst, dass es bequemere Arten der Fortbewegung gibt und ich brauche eine ganze Weile um diese, nicht ganz neue Erkenntnis erfolgreich zu verdrängen. 

Rosen

Behilflich dabei ist mir das sonnige Wetter und die bestrickende provenzalische Landschaft. Die Strecke führt überwiegend durch Wälder, bestehend aus Pinien, Eichen und Olivenbäumen. Mit dem Col de la Bigue (792m) erreiche ich den höchsten Punkt der heutigen Etappe. Nach Aups sind es jetzt noch ca. 5 km bei einem Gefälle von ca. 240 m. Die rasante Abfahrt bringt nun auch die letzten Reste meiner 'Sinnkrise' zum Verschwinden. Mit Aups befinde ich mich nun im Departement Var. Das Dorf liegt an den südlichen Ausläufern der Alpen in einer Höhe von 500 m (Aups = okzitanisch für Alpen). Durch die Nähe zur Verdonschlucht wird der Ort auch als 'Tor zum Verdon' bezeichnet. Mein Reiseführer weist der Gegend hier ein trockenes, gemäßigtes Mittelmeerklima zu. Ich kann das nur bestätigen. Es ist trocken und zum Meer sind es nach Süden hin nur noch ca. 60 km.

Mich führt der Weg in westlicher Richtung über die D60/D32 nach Tavernes und dann weiter auf der D554 nach Varages. Landschaftlich wird es jetzt zunehmend agrarisch, die Gegend ist flach bis leicht hügelig, Weingärten und Olivenhaine dominieren das Bild. Das Radeln wird nun leicht eintönig. Auf der D561 fahre ich bis Rians und dann weiter, wieder in südlicher Richtung, auf der D23 nach Pourrieres. Ein Blick auf den Kilometerzähler verrät mir, dass ich heute schon gut 80 km hinter mich gebracht habe. Meine schon etwas schweren Beine wissen das schon lange und verlangen nach einer kleinen Rast. 

Rast

Es wird Zeit mich nach einer Unterkunft umzusehen. Mir ist mal wieder nach einem ordentlichen Bett zu Mute. Deshalb beschließe ich, mich in der nächsten Ortschaft nach einem Hotel umzusehen. Nach 6 km auf der D57d erreiche ich am späten Nachmittag Puyloubier. Errichtet auf einer kleinen Anhöhe, liegt Puyloubier beschaulich in 400 m Höhe zu Füßen des südöstlichen Ausläufers der 'Montagne Sainte-Victoire', inmitten einer ausgedehnten, bewaldeten Felslandschaft. Ein Hotel ist schnell gefunden. Es liegt zentral und macht einen guten Eindruck. Das Fahrrad kommt in den Keller.

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