7. Etappe, von Brot-Dessous nach Malbuisson

(Koordinaten des Zielorts: Michelin Karte 70: 52.00° Nord, 4.41° Ost)

Freitag 30.5.86

Mein erster Gedanke am Morgen gilt natürlich dem Wetter. Ein vorsichtiger Blick aus dem Fenster bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen. Alles ist weiß, die Wiesen, die Bäume und Sträucher. Auch die Straße ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Frustriert verziehe ich mich wieder ins Bett und versuche noch mal einzuschlafen. Mit Erfolg!

Es ist schon halb zehn als ich zum Frühstück erscheine. Das Wetter zeigt sich nun schon von einer etwas freundlicheren Seite. Aus einem überwiegend blauen Himmel scheint strahlend die Sonne. Was für ein Anblick! Der Schnee ist verschwunden, nur auf der Straße befinden sich noch einige Matschreste. Das hebt die Laune. Ich will keine Zeit mehr verlieren, schlürfe hastig zwei Tassen Milchkaffe und verdrücke nebenher ein Croissant und ein Sandwich.

Um 10 Uhr bin ich bereits auf Achse. Bald schon geht es durch einen etwa 600 Meter langen Tunnel. Er ist unbeleuchtet. Drinnen ist es noch kälter als draußen, und es tropft von den Wänden. Die Fahrradfunzel beleuchtet nur die unmittelbare Umgebung, ansonsten ist es ziemlich düster. Ein Gefühl der Unsicherheit macht sich breit. Es ist beinahe unmöglich den zahlreichen Schlaglöchern auszuweichen, auch lässt sich der Abstand zur Tunnelwand nur schwer abschätzen. Bemüht, ihr nicht zu nahe zu kommen, versuche ich, so gut es geht in der Straßenmitte zu bleiben. Da die Mittenmarkierung nur schwer zu erkennen ist und streckenweise gänzlich fehlt, ist dies leichter gesagt als getan. Außerdem verliere ich in der Dunkelheit immer wieder die Orientierung. Bald erscheint die rechte, bald die linke Wand im flackernden Schein meiner Beleuchtung. Wenn jetzt nur kein Fahrzeug daher kommt! Das Licht am Ende des Tunnels wird langsam heller und größer. Dann, endlich bin ich durch. Lange dunkle Tunnel sind für Radfahrer stets problematisch, man sollte ihnen, wo immer es möglich ist, aus dem Wege gehen.

Jurawärts

Jurawärts

Nach einer kurzen Abfahrt geht es nun stetig bergauf. Die Orte Travers, Couvet und Fleurier lasse ich bald hinter mir.

Blick zurück

Ein Blick zurück

Bei Verrières überschreite ich die französischen Grenze. Die Grenzbeamten nehmen nicht die geringste Notiz von mir. Sie lassen mich passieren ohne mich auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Ich fühle mich leicht gekränkt und finde, etwas mehr Aufmerksamkeit hätte ich schon verdient. Wenn man mich schon nicht ordentlich durchsucht, so hätte ich doch wenigstens zum Vorzeigen des Ausweises aufgefordert werden können? Was hätte ich nicht alles über diese Grenze schmuggeln können!

Ab Frambourg radle ich eine Weile in südlicher Richtung auf der verkehrsreichen N57, wechsle dann nach etwa 5 km über die kleine D44 zur D437 hinüber. Rechts kommt ein See, der 'Lac de St. Point' in Sicht. Die Gegend gefällt mir, und ich beschließe Malbuisson zu meinem heutigen Etappenziel zu machen. Es gibt hier am See sogar einen idyllisch gelegenen Campingplatz. Die Verlockung es wieder einmal mit Campen zu versuchen ist groß. Doch ich widerstehe. Das gestrige Schneetreiben ist mir noch in allzu unangenehmer Erinnerung. Auch der einladende Anblick der 'Auberge de la Poste' macht mir die Entscheidung leicht. Ich bekomme ein gemütliches sauberes Zimmer mit funktionierender Heizung. Das Fahrrad wird in einem Nebenraum der Gaststätte untergebracht. Nach dem Einchecken besorge ich mir in einem nahen Lebensmittelladen noch den nötigen Proviant für den morgigen Tag.

Auberge de la Poste, Malbuisson

Malbuisson, Auberge de la Poste

Dann folgt die große Wäsche im kleinen Handwaschbecken. Unterhosen und Socken sind knapp geworden und die Trikots werden allmählich zur Geruchsbelästigung. Wenn diese Art der Wäsche auch nicht den neuesten Erkenntnissen der Sauberkeitsindustrie entspricht, so zeichnet sich das Ergebnis meiner Bemühungen doch durch eine gewisse Zunahme an Reinheit aus. Um den Trockenvorgang etwas zu beschleunigen verteile ich die Wäschestücke gleichmäßig und äußerst dekorativ auf die beiden Heizkörper im Zimmer.

Nach dem Abendessen entspanne ich mich bei einem Fläschchen Monbazillac blanc und lasse den Tag noch einmal Revue passieren. Obwohl die Tagesleistung mit 45 km nicht gerade berauschend ist, bin ich mit mir doch ganz zufrieden. Immerhin habe ich mich hier auf eine Altitude von 900 Metern hochgekämpft. Der Montbazillac ist mir zu süß!

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