6. Etappe, von Marin-Epagnier nach Brot Dessous

(Koordinaten des Zielorts: Generalkarte CH 1: 52.18° Nord, 4.87° Ost)

Donnerstag 29.5.86 Das Wetter hat sich so richtig eingesaut, es ist kalt geworden. Bei leichtem Regen und sehr böigem Gegenwind mache ich mich auf den Weg. In Neuchatel attackiert mich ein erster Platzregen. Im Schutz eines Straßenbahnhäuschens warte ich geduldig bis das Schlimmste vorüber ist. Ab Peseux wird es dann steil, Meter für Meter erklimme ich die ersten Jurahöhen.

Neuchateller SeeNeuchateller See

Im fahlen Licht eines wolkenverhangenen Himmels zeigt sich zum letzten Mal der Neuchâteller See. Das ist wirklich kein Wetter zum Rad fahren. Je höher ich komme, desto dichter wird der Nebel. In Montmollin habe ich bereits 300 Höhenmeter hinter mir. Der Nebel ist inzwischen undurchdringlich geworden. Ein Blick in die Karte verrät mir, dass ich bis 'La Chaux de Milieux', dem höchsten Punkt der vorgesehenen Route, noch knapp 400 Höhenmeter vor mir habe. Ich bezweifle, ob es bei diesen Sichtverhältnissen noch viel Sinn macht so hoch hinaus zu wollen und entschließe mich spontan umzukehren und ab Corcelles die Fahrt auf der insgesamt tiefer verlaufenden A10 in Richtung Pontarlier fortzusetzen.

Die Abfahrt gestaltet sich in der durchgeschwitzten Kleidung ziemlich kühl, doch die Sicht wird langsam wieder besser und der Nebel löst sich schließlich vollständig auf. Bis zur Ortschaft Rochefort sind einige ansehnliche, mindestens 10 %-ige Anstiege zu überwinden, was sehr viel Kraft kostet. Dann geht die Steigung auf moderate aber stete 5 % zurück. Es wird immer kälter, der Regen geht langsam in Schnee über. Die Finger sind klamm und gefühllos, die Füße eiskalt. Nein, das ist absolut kein Wetter zum Rad fahren. Meine Moral lässt stark nach und erreicht noch am frühen Nachmittag in 'Brot-Dessous' ihren absoluten Tiefpunkt.

Brot DessousBrot Dessous

Direkt an der Straße gelegen, taucht unvermittelt das 'Hotel de Couronne' auf. Seine einladende Fassade zieht mich magisch an, verspricht sie doch was ich jetzt am meisten brauche. Wärme! Das Fahrrad ist schnell in einem Geräteschuppen verstaut. Dann wird erst einmal ausgiebig geduscht. Aufgewärmt und in frischer trockener Kleidung fühle ich mich wie neu geboren. Zufrieden verbringe ich den Nachmittag im Hotel, lege mich zu einem kleinen Schönheitsschläfchen nieder, trinke danach in der Halle einige Bierchen und schmökere ausgiebig in den ausliegenden Zeitungen und Zeitschriften. Und draußen versinkt die Welt im Schneegestöber. Der Winter ist zurückgekehrt.

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