18. Etappe, von Perigueux nach St. Emilion

Mittwoch 11. Juni Der beharrliche Ruf des französischen Wappentiers holt mich aus meinen schönsten Träumen. Irgendwo hier ganz in der Nähe muss sich ein Bauernhof befinden. Die gestresste Art wie dieser Hahn seine Stimmbänder strapaziert, lässt darauf schließen, dass er der Boss einer mittleren Hühnerfarm sein muss. Wilhelmine frühstückt bereits. Und ich bin eingeladen. Es tut gut zum Frühstück wieder einmal Gesellschaft zu haben, angenehm zu plaudern und an einem richtigen Tisch, in einem richtigen Stuhl zu sitzen. Doch bald schon heißt es Abschied nehmen. Wilhelmine tut dies auf ihre Weise. Sie gibt mir zur Stärkung, wie sie sagt, eine Flasche 'PINOT GRIS' mit auf den Weg. Sie habe das Fläschchen anlässlich einer 'Degustation' auf einem Weingut erworben und ich möge deren Inhalt mit Bedacht genießen, es handele sich um einen ungeheuer edlen Tropfen. Ich verspreche ihr, mich dieser Köstlichkeit würdig zu erweisen, bei jedem Schluck an sie zu denken und sie dabei gehörig hochleben zu lassen. Sie ist gerührt, ich bin's auch. 

UnterwegsUnterwegs 

Der Tag wird außergewöhnlich heiß, das Trikot klebt am Leibe, ein Zustand, wie ich ihn mir schon oft während dieser Tour erträumte. Gerne erinnere ich mich jetzt an die Schnee- und Hagelschauer, die mir während des Juraanstiegs so sehr zu schaffen machten. Wie tut die Hitze doch gut!! Zunächst folge ich etwa 60 km dem Lauf der Isle. Die D3 führt durch eine abwechslungsreiche Flusslandschaft, klangvolle Namen, berühmte Lagenvon Verkehr keine Spur, die Straße gehört mir allein. In Montpon verlasse ich das Isletal und erreiche am frühen Nachmittag auf der D9 Villefranche. Dort genehmige ich mir in einer Snak-Bar ein kühles Bier und einen Sandwich 'Jambon- Beurre' und fülle meine Getränkeflaschen. Frisch gestärkt geht's weiter in Richtung St. Emilion, dem bekannten Weinzentrum des Bordelais. Der Weg führt nun durch ausgedehnte Weingärten. Am Straßenrand künden Schilder mit klangvollen Namen von den weltberühmten Lagen. Nicht wenige dieser einzigartigen Domänen sind, ihre Einzigartigkeit hervorhebend, von Rosenspalieren eingefasst. 

Rosenspalier 
Es sieht nach Gewitter aus, als ich in St. Emilion eintreffe. Also ab ins Hotel! Ich klappere drei dieser Etablissements ab und bekomme überall dieselbe Auskunft: "Complet!" Nun ist Zelten angesagt. Der Campingplatz liegt ziemlich außerhalb, etwa 3 km in Richtung Lussac, in der Nähe der Ortschaft Montagne an der D122. Er ist nicht sehr groß, eine Wiese mit Obstbäumen, und besitzt kein Restaurant. Ich werde also gezwungen sein zum Abendessen wieder nach Emilion zurück zu radeln. Das Zelt ist schnell aufgespannt, dann geht's unter die Dusche, den Schweiß von 100 km Landstraße abwaschen. Danach folgt, gleichsam als Referenz an die vom Weinanbau geprägte Region, noch ein kräftiger Schluck aus der Pulle. Ein 84 ger St. Emilion, und stinkteuer! 

Felsenkirche

Portal, Felsenkirche 

In der Rezeption des Campingplatzes erkundige ich mich nach einem guten Restaurant. 'La patronne' empfiehlt das 'Silo' in der Rue Guadet. Stadtfein zurechtgemacht schwinge ich mich in Ausgehkleidung auf das abgetakelte Fahrrad. Zu allem Überfluss sind bis zum Ort der Verheißung auch noch etwa 80 Höhenmeter zu überwinden. Etwas außer Atem und mit ungeduldig knurrendem Magen komme ich schließlich dort an. Doch bevor ich mich in den Gourmettempel begebe, unternehme ich noch einen kleinen Stadtrundgang, getreu dem Motto, "Erst die Kultur, dann der Gaumen!" Und an Kultur besteht hier wahrlich kein Mangel, besonders was alte Gemäuer angeht. Reichlich beeindruckt bin ich von der 'Église monolithe' einer in den Fels gehauenen Kirche aus dem 11. und 12. Jahrhundert. 

Couvent des CordeliersCouvent des Cordeliers 

Auch die Ruine des ehemaligen 'Couvent des Cordeliers' mit seinem aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammenden Kreuzgang kann sich sehen lassen. Dieses bizarre Überbleibsel der Geschichte wird heute in äußerst praktischer Weise als Café genutzt. Es gäbe noch vieles zu besichtigen, doch wie so oft im Leben triumphiert auch hier der Leib über den Geist. Ich bin hungrig wie ein Wolf! Das Restaurant 'Le Silo' ist in einem ehemaligen, in den Fels gehauenen Getreidespeicher untergebracht. Seine gediegene, kultivierte Ausstattung kontrastiert vortrefflich mit den roh behauenen Felswänden. Und dann erst das Essen! Man könnte ins Schwärmen geraten. Ich darf nicht vergessen mich für den gute Empfehlung bei Madame zu bedanken.

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