17. Etappe, von Excideuil en Perigord nach Perigueux

Dienstag 10. Juni

Als ich heute morgen den Reisverschluss am Hauptportal meines Zeltes hoch zog, sah ich die Bescherung. Das schöne Wetter der vergangenen Tage hatte sich über Nacht davon gemacht. Eine gleichmäßig graue, geschlossene Wolkendecke lag statisch über der Landschaft. Aber es war angenehm warm, schwülwarm. Und es blieb trocken, auch während der Fahrt hierher.

Von Salignac kommend, traf ich so um die Mittagszeit in Perigueux ein. Ich hatte gerade erst mal 50 km hinter mich gebracht und war noch mächtig in Form. Außerdem war es noch früh am Tage, so dass mir die Frage - Weiterfahren oder Stadtbesichtigung? - zunächst einiges Kopfzerbrechen bereitete. Ausschlaggebend für meine Entscheidung zu bleiben, war dann die außergewöhnliche Silhouette der Stadt mit den Türmen und Kuppeln der Kathedrale Saint Front.

Perigueux Perigueux

Getreu meinem Motto "Erst die Kultur, dann das Vergnügen!" begab ich mich direkt zur Kathedrale, ließ mich von ihrer eigenwilligen Architektur beeindrucken, warf noch einen scheuen Blick ins dunkle Innere der Kirche und strebte alsdann erwartungsvoll der Altstadt zu. Dort schlenderte ich locker, das Fahrrad schiebend durch die engen Gassen der Fußgängerzone, gelangte schließlich an einen kleinen Platz, bemerkte ein gemütliches Straßencafe, konnte nicht länger widerstehen und ließ mich erschöpft in den nächsten Stuhl sinken.

Altstadt 

Altstadt

Kultur macht schwere Beine! Und schwere Beine machen Durst! Ein eilig bestelltes, kühles Bierchen wirkte wie erste Hilfe zur Wiederbelebung. Das zweite diente dann ausschließlich der Entspannung. Locker und gelöst gab ich mich nun der Betrachtung der Umgebung hin, beobachtete die Passanten und genoss die anheimelnde, friedliche Stimmung des kleinen Platzes. Ich weiß nicht weshalb, vielleicht war es die Abgeschiedenheit und die Ruhe innerhalb der alten Gemäuer, jedenfalls fühlte ich mich hier höchst behaglich. Dann, irgendwann, fand ich es an der Zeit, mich um mein Nachtquartier zu kümmern. Mir war nach Zelten zumute.

Der Campingplatz hier, er nennt sich 'Barnabé Plage', ist eine echte Sehenswürdigkeit. Das Terrain grenzt an den Fluss Isle und fällt zu seinem Ufer hin leicht ab. Es liegt etwas außerhalb von Perigueux, einige Kilometer flussaufwärts. Die Gebäude sind teilweise von dichtem Efeu umwuchert. Dem Restaurant mit Bar, Café und Terrasse haftet der Charme längst vergangener Zeiten an. Einen deutlichen Anklang von Jugendstil hat das alles. Man fühlt sich unvermittelt in die Zeit um die Jahrhundertwende zurück versetzt. An den drei Billardtischen im Salon wird selbstverständlich noch 'Carambolage' gespielt. Der gepflegte Garten mit seinen künstlichen Biotopen ist eine reine Augenweide. Neben mannigfachen Sumpfpflanzen blüht hier noch sehr dekorativ die ansonsten etwas aus der Mode gekommene Kalla. Eine handbetriebene kleine Fähre über die Jsle fügt sich gleichsam nahtlos in das zeitlose Ambiente der Anlage.

Campind Barnabe Camping 'Barnabé'

Wie alle Campingplätze, die ich bisher aufgesucht habe, ist auch dieser nur schwach belegt und wie immer, habe ich bei der Platzsuche die Qual der Wahl. Mal scheint mir diese, mal jene Parzelle geeigneter, idyllischer. Schließlich lasse ich mich, der Exklusivität wegen, neben einer Bananenstaude nieder. Sie eignet sich nicht nur zum Festmachen des Fahrrades, sie gibt auch eine bequeme Rückenlehne ab, was mangels eines Sitzmöbels ein nicht unbedeutender Aspekt bei der Platzauswahl ist. Nichts Böses ahnend, sitze ich, an die Bananenstaude gelehnt und mache mir Gedanken über mein heutiges Abendprogramm.

Da kommt SIE hereingetuckert. Wilhelmine in ihrem blauen 2CV. Sie hält sich nicht lange mit Platz suchen auf, zielstrebig wählt sie den Stellplatz mir gegenüber. Bald beginnt ein munteres Klopfen. Wilhelmine versucht mit einem Stein und mäßigem Erfolg Zeltnägel in den Boden zu treiben. Fasziniert sehe ich ihr eine Weile zu, gehe dann zu ihr hinüber und biete ihr galant meinen Hammer an. Ihr Blick drückt nicht nur Dankbarkeit aus, nein, sie will mehr. Während ich ihre restlichen Zeltnägel versenke, kommen wir ins Gespräch. Sie kommt aus Nimwegen, das ist in Holland, und hat eben ihre 12-jährige Tochter ins Internat zurückgebracht. Das Nützliche mit dem Angenehmen verbindend hängt sie noch einen kleinen Campingurlaub dran. Über die weitere Gestaltung des Abends brauche ich mich nun nicht mehr zu kümmern. Das macht alles Wilhelmine. Sie will Minigolf spielen und das am liebsten mit mir. Meinen Einwand, dass Golf doch wohl eher ein Sport für ältere Semester sei, und ich Minigolf für absoluten Kinderkram halte, lässt sie nicht gelten. Wilhelmine ist begeisterte Minigolfspielerin. Also tue ich ihr den Gefallen. Anfangs gelingt es mir sogar, ich weiß nicht wie, nach Punkten in Führung zu gehen, und Wilhelmine hält mich schon für einen verkappten Profigolfer. Die erste Partie geht knapp an mich. Das kann Wilhelmine nicht auf sich sitzen lassen. Sie fordert Revanche. Im zweiten Durchgang hat sie dann die Nase vorn und ist mit sich sehr zufrieden, während ich den Zerknirschten mime. Als sie dann die dritte, alles entscheidenden Runde ebenfalls für sich verbuchen kann, ist ihre Welt wieder in Ordnung. Erst jetzt findet mein wiederholt geäußerter Vorschlag, doch ein paar kühle Drinks an der Bar zu nehmen, ihre Zustimmung. Wilhelmine erweist sich als höchst ausdauernd. Es folgt ein amüsanter, überaus unterhaltsamer und sehr, sehr langer Abend.

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