14. Etappe, von Pont du Bouchet nach St. Setiers

Samstag 7. Juni

Das Wetter ist besser als die Prognose. Kein Regen, immer wieder Sonne, etwas kühl. Ich verlasse das Belle Vue so gegen 9 Uhr. Die D19 führt überwiegend durch Wald. Das Gelände ist zwar ziemlich hügelig, doch insgesamt leicht abfallend.

Siesta Siesta

Auf der verkehrsarmen D987 passiere ich Pontaumur. Hier erwartet mich nach einer kurzen Abfahrt ein steiler kraftraubender Anstieg, der sich über 5 km hinzieht. Abgekämpft lasse ich mich auf einer kleinen Waldlichtung zu einer kurzen Verschnaufpause nieder. Die Sonne wärmt angenehm durch das verschwitzte Trikot. Man hat von hier oben aus einen herrlichen Blick über die Höhenzüge des Massiv Central, einem Meer dicht bewaldeter Bergrücken soweit das Auge reicht! Die einzelnen Buckel heben sich scharf voneinander ab und bilden eine einzigartige Farbkomposition in Blau, mit zum Horizont hin immer heller und dunstiger werdenden Abstufungen. Eine Vision überwältigender Tiefe! Dieses beeindruckende Panorama erinnert mich sehr an die deutschen Mittelgebirge oder den Böhmerwald.

Weiter geht's auf die D19, einer kleinen praktisch unbefahrenen Landstraße. Über die Orte St. Etienne und Voigt gelange ich nach Giat und von dort nach Flayat. Auf der D996 überquere ich dann bei Croix-Longe den 0-Meridian und treffe am späten Nachmittag in Sornac ein, wo ich die heutige Etappe beenden will. Das Wetter ist schön, und mir ist wieder mal nach Campen zu Mute. Der Campingplatz ist schnell ausgemacht, aber leider geschlossen. Auch das einzige Hotel am Ort ist außer Betrieb, und da es schon ziemlich spät ist, werde ich langsam unruhig. Der Tourismus scheint in dieser Gegend noch nicht angekommen zu sein. Ich frage einen Passanten nach dem nächstgelegenen Hotel und erfahre, dass das 'Hotel du Plateaux' in Saint-Setiers wahrscheinlich geöffnet habe. Der Ort läge etwa 10 km von hier in den Bergen. Da ich mir wegen der späten Stunde keine Schneiderfahrt leisten kann, rufe ich vorher dort an. Ich habe Glück, das Hotel hat tatsächlich geöffnet und es ist auch noch was frei. Ziemlich ausgepumpt, es waren noch etwa 100 Höhenmeter auf der D80 zu überwinden, komme ich schließlich bei Einbruch der Dunkelheit da oben an.

Saint-Setiers ist ein kleines Nest mit ca. 300 Einwohnern. Es liegt auf einer Höhe von 850 m am Rande des 'Plateaux des Millevaches'. Nach einer wohltuenden, heißen Dusche begebe ich mich mit erwartungsvoll knurrendem Magen in den Speisesaal. Dieser ist prächtig dekoriert, bunte Lampions und kunstvolle Girlanden zieren Decke und Wände. Alle Tische sind festlich gedeckt und mit Blumen geschmückt. Irgendwie habe ich das unbehagliche Gefühl meine Aufmachung passe nicht in diesen feierlichen Rahmen. Bescheiden setze ich mich deshalb an einen Tisch am Rande und versuche mich in dem unerwarteten Ambiente zu akklimatisieren.

Der Saal ist leer, ich bin der einzige Gast. Ich erwarte, dass man sich um mich kümmert, mir eine Speisenkarte bringt. Lange Zeit passiert überhaupt nichts. Dann, endlich, kommt ein 'Garçon' an meinen Tisch und deponiert wortlos einen Liter Rotwein. Erfreut über derart gute Sitten, schenke ich mir sogleich ein. Ein kräftiger, trockener Tropfen! Geduldig warte ich weiter darauf endlich etwas bestellen zu können. Als dann schließlich ein zweiter Bursche mit einer Schüssel Suppe aufkreuzt und mir freundlich guten Appetit wünscht, wird mir langsam klar, dass es hier heute nichts zu bestellen gibt. Ich habe die Ehre als ungeladener Gast an einem Hochzeitsmahl teilzunehmen. Auf die Suppe folgt eine 'Terrine aux Noix', eine Leberpastete mit Nüssen. Das Hauptgericht besteht aus Steak mit 'Pommes de terre rissolée', das sind ordinäre Bratkartoffeln, und gemischtem Salat. Abgerundet wird das Ganze mit etwas Obst und einem 'Plateau de fromage', einer reichhaltig bestückten Käseplatte. Alles mundet vorzüglich. Der Saal hat sich mittlerweile gefüllt, auch das Brautpaar ist nun anwesend. Jemand lässt sich zu einer Rede hinreißen, deren Inhalt im allgemeinen Geräuschpegel untergeht und mir weitgehend verborgen bleibt. Angesichts der vielen festlich gekleideten Hochzeitsgäste komme ich mir in meiner Abendsausgehkluft, Jeans und T-shirt, etwas 'underdressed' vor. Also genehmige ich mir noch einen kleinen Kaffee und mache mich dann unauffällig davon. Zurück bleibt, zu meinem größten Bedauern, ein noch beinahe halb gefüllter Krug mit Wein. Trotz redlichen Bemühens ist es mir nicht gelungen ihn zu leeren.

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