Prolog

Radfahren ist die ökonomischste Art der Fortbewegung des Menschen aus eigener Muskelkraft. Radfahren hält fit und schont die Umwelt.

Schon die alten Römer wären begeistert gewesen sich eines solch genialen Fortbewegungsmittels bedienen zu können, wäre es nur schon erfunden gewesen. Was hätten sich wohl die Bewohner jenes unbesiegbaren gallischen Dorfes da oben im Norden gedacht, wenn die römischen Legionen auf dem Fahrrad angerückt wären? Na, was wohl? Richtig! "Die spinnen die Römer!"

Die ersten Anfänge dieser Erfolgsgeschichte gehen zurück auf das frühe 19. Jahrhundert, als ein gewisser Karl Drais, Freiherr zu Mannheim, die später nach ihm benannte "Draisine", ein einspuriges Zweirad mit lenkbarem Vorderrad erfand. Auf diesem hölzernen Urbike saß der Radler zwischen den Rädern und stieß sich mit den Füßen am Boden ab. Das frühe "Radeln" war wohl mehr ein Laufen im Sitzen, doch das lenkbare Vorderrad gestattete immerhin schon eine ausbalancierte Vorwärtsbewegung ohne zusätzliche Abstützung. Das stabile Fahren auf einem in sich labilen Fahrzeug war erfunden und fand schnelle Verbreitung.

Siehe auch: Wikipedia Draisine

urbike wikipedia

Bildquelle: Wikipedia, Draisine

Es ist zu vermuten, dass die Akzeptanz für die Erfindung des Herrn Drais nicht zuletzt auch auf die Hungersnot der Jahre 1816 und 1817 zurück zu führen ist. Der Ausbruch des Vulkans Tambora in Asien führte damals in Mitteleuropa zu einer empfindlichen Absenkung der Sommertemperaturen. Es kam zu Unwettern und Missernten und in deren Folge zu einer Verdreifachung des Preises für Getreide, dem Treibstoff für das Hauptverkehrsmittel jener Zeit, der Pferde­kutsche. Die Draisine als billige Alternative zum Pferd? Warum nicht? Klingt irgendwie plausibel!

Das moderne Fahrrad erlangte in Europa seine größte Verbreitung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Massenproduktion machte es auch für die Arbeiterschaft erschwinglich, die als Folge der fort­schreitenden Industrialisierung immer längere Wege zurückzulegen hatte. Das Fahrrad unserer Tage hat sich durch die Ver­wendung moderner Materialien (z.B. Carbonrahmen) und Ausrüstungen zum extravaganten High-Tech-Gerät entwickelt. Es ist aus dem Sport- und Freizeitbetrieb nicht mehr wegzudenken. Soviel zur Geschichte.

Gelegentlich wurde ich gefragt, was einen halbwegs vernünftigen, nicht sonderlich zu sportlicher Übertreibung neigenden Menschen dazu bringt, mit dem Fahrrad über Alpenpässe zu hecheln oder mehrwöchige Radreisen von 1000 km und mehr zu unternehmen. Die Antwort ist einfach: Radfahren, sportlich betrieben, kann süchtig machen, kann zur Leidenschaft werden, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Es schafft Leiden. Man leidet oft bis an die Grenze des Erträglichen in den steilen Kehren eines Col de l’Iseran oder Croix de Fer, eines Col d'Izoard oder Mont Ventoux. Man leidet unter sengender Hitze, eisiger Kälte und oft nicht enden wollenden Regengüssen. Nicht selten ist man versucht, bei widrigem Wetter eine Reise einfach abzubrechen, den nächsten Bahnhof aufzusuchen und nach Hause zufahren. Doch man macht weiter, gibt sein Letztes. Wofür? Vernünftig erklären lässt sich das nicht. Wenn man einmal damit angefangen hat, auf den Geschmack gekommen ist, mag man nicht mehr davon lassen. Man muss es am eigenen Leib erfahren haben. Es ist eine Manie, eine milde Art der Besessenheit.

Was für ein Kick, welch unbeschreibliche Euphorie, endlich, wenn auch bisweilen ziemlich groggy, so doch aus eigener Muskelkraft, eine Passhöhe erklommen oder das erstrebte Ziel einer anspruchsvollen Etappe erreicht zu haben. Doch dieses Glücksgefühl, diesen Rausch gibt es nicht umsonst. Ohne Fleiß, kein Preis! Oder salopp gesagt: Erst muss der innere Schweinehund überwunden werden, bevor der Körper unter der Einwirkung von Stress und Entsagung mit der Produktion und Ausschüttung von Endorphinen, den so genannten Glückshormonen beginnt. Neben seiner berauschenden Wirkung besitzt dieses körpereigene Opium auch noch einen schmerzstillenden Effekt, der die durchlittenen Strapazen vergessen lässt und die Hochstimmung noch verstärkt. Eine sanfte Droge, die nichts kostet und dabei völlig legal ist! Was will man mehr? - So viel zur Motivation.

In den Jahren 1984 bis 1989 unternahm ich 6 größere Radreisen. Sie führten mich größtenteils durch Frankreich, dem gelobten Land der Radfahrer, wo man nicht nur als Verkehrshindernis betrachtet wird und auch schon mal ein 'feu rouge', eine rote Ampel, missachten darf ohne gleich kriminalisiert zu werden. In Chrono­logischer Reihenfolge waren dies:

  1. 1984 Genf-Cassis
  2. 1985 München-Cannes
  3. 1986 München-Arcachon
  4. 1987 Bordeaux-Collioure
  5. 1988 Toskana-Korsika
  6. 1989 München-Nantes

Ab 1987 kamen dann jedes Jahr noch einige Pässe und Bergstrecken hinzu (siehe oben: milde Art von Besessenheit!). Im Einzelnen waren dies:

  1. 1987 Col d’Izoard (2360 m)
  2. 1987 Montagne de Lure (1628 m)
  3. 1987 Mont Ventoux (1909 m)
  4. 1988 Col d'Allos (2240 m)
  5. 1988 Col de la Cayolle (2327 m)
  6. 1988 Col de Vars, Südseite (2109)
  7. 1989 Penser Joch (2211 m)
  8. 1990 Col de la Bonette (2802 m)
  9. 1990 Col de Vence (970 m)
  10. 1991 Ballon d'Alsace (1178)
  11. 1991 Gorges de la Bourne (1023)
  12. 1991 Gorges de l'Ardeche
  13. 1991 Mont Ventoux (1909 m)
  14. 1995 Col du Galibier (2640 m)
  15. 1995 Col de l’Iseran (2770 m)
  16. 1998 Col de Turini (1670 m)
  17. 1998 Col de Tende (1871 m)
  18. 2000 Col de l’Espigoulier (726 m)
  19. 2002 Petit Ballon (1267 m)

Die vielfältigen Erlebnisse und Eindrücke, die wechselnden Landschaftsbilder einer mehrwöchigen Radreise, lassen sich schon bald nicht mehr auseinanderhalten, der chronologische Kontext beginnt zu schwinden. Deshalb, und um etwas Ordnung in meine Erinnerungen zu bringen, entschloss ich mich, ein Reisetagebuch, eine Art Log­buch, zu führen. Mit meinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben fand ich dann Zeit und Muße diese etwas rudimentären Notizen in eine lesbare Form zu bringen. Nach und nach entstanden so meine Radler-Memoiren, die im Folgenden hier wiedergegeben werden. Das verwendete Bildmaterial stammt, bis auf wenige, mit Quellenangabe gekennzeichnete Ausnahmen, aus meiner eigenen Diasammlung. Die Dias hatten vor der Digitalisierung schon etliche Jahre nicht immer sachgemäßer Lagerung hinter sich, was zu teilweise sichtbarem Qualitätsverlust führte. 

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